Arbeit macht glücklich? Arbeit macht sicher? Arbeit macht krank? Die heutige Arbeitswelt ist von vielen verschiedenen Charakteren und Idealen geprägt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben oft vollkommen verschiedene Ansichten zu verschiedenen Themen des Arbeitslebens. Innerhalb Europas gibt es inzwischen eine Vielzahl verschiedener Modelle. In diesem Beitrag möchte ich gezielt darauf eingehen wie gesund unser Arbeitsleben ist.
Arbeitseinstellung
Die Arbeitseinstellung hat sich im Laufe der letzten Jahre gesellschaftlich stark verändert und auch kulturell gibt es enorme Unterschiede. Meine Generation (Generation Z) gilt als Freizeitoptimierer. Wir sind scheinbar anspruchsvoll und schwer zu überzeugen als Arbeitnehmer. Einem Artikel zur Folge, den ich kürzlich gelesen habe, sind die jungen Arbeitnehmer unflexibel und „faul.“ Arbeit hat einen deutlich geringeren Stellenwert. Wir sind außerdem unselbstständig, unbeständig und haben hohe Ansprüche in Sachen Freizeit, Ausgleich und Gehalt. Aus einer wissenschaftlichen Arbeit in meinem Umkreis ging hervor, dass die jungen Leute (in diesem Fall Krankenschwestern und Pfleger) auch nicht mehr so belastbar sind wie früher. Vor allem gegenüber körperlicher Belastung war diese Berufsgruppe in früheren Generationen belastbarer. Hier scheint es im Laufe der Generationen also Veränderungen gegeben zu haben.
Die Kinder des Wirtschaftswunders sind bereits aus dem Berufsleben ausgeschieden und begegnen mir nun vor allem als Kunden und Patienten. Deren Kinder (meine Elterngeneration) gehört zu einer Gruppe von Menschen, die oft Jahre und Jahrzehnte im gleichen Unternehmen tätig sind und in der Regel genau einen Beruf erlernt haben. Ganz plakativ gesagt! Die Yner sind die Arbeitnehmer die aktuell am meisten auf dem Markt für Struktur sorgen. Und dann streben auch so langsam die Zler auf den Arbeitsmarkt. Und die oder wir bereiten den Arbeitgebern momentan starke Kopfschmerzen. Der aktuelle Arbeitsmarkt scheint nicht so zu uns zu passen und das macht den Arbeitgebern scheinbar Angst.
Kommen wir zur Einstellung. Fleiß, Pünktlichkeit und Treue sind preußische Tugenden, die auch die Arbeitswelt lange geprägt haben. Das kennzeichnet sich sicherlich dadurch, dass die zu machende Arbeit zeitweise kommentarlos verrichtet wurde und man Jahrzehnte treu beim selben Arbeitgeber blieb. Man war dankbar für den sicheren Arbeitsplatz und die Fürsorge des Arbeitgebers. Sicherlich gerade in der Nachkriegszeit ein Thema bei vielen. Heute scheinen Leute eher undankbar für die Arbeit zu sein. Unzufriedenheit kennzeichnet zunehmend das Arbeiten. Viele betrachten es als Zwang und Last und warten sehnsüchtig auf den Feierabend. Ein Spruch fällt mir dazu ein. Sinngemäß sagt er aus, dass wenn man den richtigen Job gefunden hat muss man nie wieder arbeiten. Arbeit per se scheint also ein negativer Begriff geworden zu sein.
Ich arbeite um zu Leben vs. Ich lebe um zu arbeiten
Mein einer Dozent hat die Arbeitenden grob in zwei Gruppen geteilt. Die Überschrift lässt schon durchblicken worum es im Kern geht. Die erste Gruppe schätze ich als die größere Gruppe ein. Die Zufriedenheit mit der Arbeit scheint gering zu sein. Sie machen Dienst nach Vorschrift und lassen um 17 Uhr den Stift fallen. Wie bereits gesagt, wieder eine steile These die sicherlich nicht komplett ernst zu nehmen ist. Bei der zweiten Gruppe beschreiben wir eher den klassischen Workaholic. Er macht selbst nach Feierabend noch etwas für die Arbeit und stellt sein privates Leben und manchmal vielleicht auch die Gesundheit hinten an. Beide Extreme finden wir irgendwie nicht gut. Mein Dozent hat außerdem die These aufgestellt, dass in der ersten Gruppe öfter Burnouts auftreten als in der zweiten. Der Hintergrund: muss ich etwas machen was ich nicht will, erzeugt das Distress, den schlechten Stress. Mache ich etwas, was ich liebe und wo ich mich vielleicht selbst herausfordere erzeugt das Eustress, den guten Stress. Wieder etwas, was ich der Einfachheit halber wissenschaftlich stark reduziert habe. Tendenziell ist es auch in der Arbeitswelt so, wie im restlichen Leben: der Mensch hat gewisse Bedürfnisse. Maslows Bedürfnis-Pyramide kann man hier als psychologisches Modell zur Erklärung heranziehen. Maslow ordnete die Bedürfnisse in Form einer Pyramide an. In der Spitze steht die Selbstverwirklichung. Übertragen auf die Arbeitswelt brauchen wir zunächst ein Dach über dem Kopf und einen Platz mit Tageslicht zum Arbeiten. Es folgt Sicherheit als weitere Stufe, soziale Kontakte usw. Ist das alles erfüllt geht’s uns dem Modell zur Folge richtig gut.
Meiner Erfahrung nach spielen beim Arbeiten der Zusammenhang zwischen Gehalt und Selbstverwirklichung eine entscheidende Rolle. Ermöglicht mir ein Gehalt trotz schrecklichem Job eine tolle Freizeit, ertrage ich Arbeit. Bekomme ich wenig Geld aber die Arbeit fällt leicht, macht Spaß und ich kann mich toll verwirklichen nehme ich die geringe Bezahlung in Kauf im Tausch für den schönen Alltag. Kommt es nun so, dass wir für einen schlechten Job auch noch wenig Geld bekommen, wächst die Unzufriedenheit drastisch. Gerade in der heutigen Welt ist es leider oft so, dass man seinen Lebensunterhalt durch nur ein Einkommen kaum bezahlen kann. Je niedriger der Bildungsstand desto schwerer wird es. Wenn ich also nochmal zu Maslow schaue, dann wird mir klar, dass hier in Sachen Sicherheit bereits sehr früh in der Bedürfnispyramide etwas fehlt. Mich wundert da wenig, dass der Arbeitnehmer unzufrieden ist, wenn seine finanzielle Sicherheit nicht gewährleistet ist.
Arbeitszeitmodelle
Aus Skandinavien gibt es Beispiele in denen Firmen nur sechs Stunden statt acht Stunden Arbeitszeiten vorgeben, da die Effektivität der Arbeit in der Zeit die selbe ist. In der 7. Und 8. Stunde passiert nicht mehr viel Produktives. Wer kennt das nicht? Je länger man sich der selben Tätigkeit widmet umso mehr lässt die Konzentration nach. Diese Modelle sind sehr erfolgreich, denn die Mitarbeiter weisen Zufriedenheit und Gesundheit auf.
Betriebliches Gesundheitsmanagement
In meiner Branche und in meinem Studium ist ein großes Thema das BGM. Betriebliches Gesundheitsmanagement gilt als Gütekriterium für einen Arbeitgeber. Man weiß, dass es langfristig Kosten einsparen kann, Krankentage reduziert und die Mitarbeiterzufriedenheit steigert. Für mich signalisiert dieses Thema einen ganz wesentlichen Punkt. Unser Arbeiten ist nicht gesund. Es macht uns krank oder beinhaltet zumindest viele Risikofaktoren. Ob das Giftstoffe, körperliche oder psychische Belastungen sind spielt dabei erstmal eine untergeordnete Rolle. Viele Arbeitgeber sehen in BGM leider noch keinen direkten Nutzen, denn die langfristige Wirkung gilt noch weitestgehend als nicht nachgewiesen. Es ist schwer statistische Erhebungen dazu zu machen, da die Messzeitpunkte für bestimmte Erfolge noch in der Zukunft liegen. Man kennt den Zusammenhang zwischen bestimmten Berufen und bestimmten Krankheiten, aber der direkte aktuelle Nutzen für den Arbeitgeber wird noch nicht erkennbar und kostet außerdem viel Geld. Dennoch ist das Thema sehr stark da im Zusammenhang mit lebensstilbedingten Erkrankungen die Renten- und Krankenversicherer in der Zukunft ein großes Problem hinsichtlich der Finanzierung sehen. Daher wird die Prävention ein immer wichtigeres Thema.
Mein Resümee
Wenn ich mir die Frage beantworten muss was Arbeit mit uns macht, dann sehe ich dass ich für mich das Arbeiten per de und die Arbeitswelt trennen muss. Ich denke, dass unsere Arbeitswelt uns krank macht und im Bezug auf bestimmte berufsbezogene Erkrankungen gibt es dafür sogar valide Nachweise. Meiner Generation also vorzuwerfen, wir wären zu anspruchsvoll als Arbeitnehmer, finde ich ungerechtfertigt. Arbeitsanforderungen mit Umzug in andere Städte, Überstunden oder sonst was unreflektiert immer nachzugehen erzeugt Stress und kostet uns am Ende einen Teil unserer Gesundheit. Wenn ich daran denke, wie viele Jahre ich noch arbeiten werde, dann ist mir völlig klar, dass ich, wenn ich gesund bleiben will dabei, aufpassen muss mich nicht zu früh verbrennen zu lassen. Ich würde nicht umziehen für einen Job, da ich zum Beispiel keine Lust hätte von meiner Familie und meinem Mann getrennt zu sein. Ich weiß, dass das bei mir sehr ungesunden Stress erzeugen würde. So pragmatisch denkt natürlich nicht jeder, aber ich frage mich tatsächlich, wieso von den jungen Arbeitnehmern etwas erwartet wird von dem man mitterweile weiß, dass es ungesund ist. Wenn wir als Gesellschaft unsere Gesundheit verbessern wollen, dann muss sich vor allem in der Arbeitswelt etwas drastisch ändern. Ich persönlich arbeite normalerweise sehr gerne. Ich habe das Gefühl, dass mir allerdings die Arbeitswelt bereits in den ersten paar Berufsjahren die Lust an der Arbeit geraubt hat, da sie mich in Teilen einfach zu viel gekostet hat. Manchen Menschen fehlt vielleicht die Fähigkeit die eigene Situation zu reflektieren und sich aus der ungünstigen Arbeitssituation zu befreien. Vielleicht lässt auch die Bildung nicht mehr zu, da man nie etwas anderes lernen konnte. Da bin ich vielleicht auch in der sehr günstigen Lage bereits jetzt über eine Menge verschiedener Qualifikationen zu verfügen.
Die ideale Arbeitswelt
Ich weiß, dass die Lösung für dieses Problem gigantisch und komplex ist. Allerdings leben wir in einer Zeit in der uns Maschinen viel Arbeit abnehmen. Also nicht mehr jeder Job von einem Menschen erledigt werden müsste. In meiner idealen Arbeitswelt findet eine Ökonomisierung und eine Individualisierung der Arbeit statt. Ich vergebe Aufgaben nach Fähigkeiten und strukturiere Arbeitszeit nach individuellem Können ohne, das jemand die Angst haben muss von dem Geld, das er verdient nicht leben zu können. Es wird die Qualität der Arbeit honoriert und nicht die schiere Arbeitszeit. Der Philosoph und Autor Richard David Precht hat zu diesem Thema eine ganz ähnliche These aufgestellt. Er sagt, dass in der Zukunft vielleicht nur noch der arbeitet, der das möchte. Fakt ist, dass sich die Arbeitswelt durch Technik und Digitalisierung in den nächsten Jahrzehnten noch sehr verändern wird. Wie? Das kann vermutlich keiner sagen. Als Arbeiter sind wir Menschen irgendwo die schlechteren Maschinen. Wieso also die Arbeit machen, die eine Maschine eh besser könnte? Der chinesische Firmengründer Jack Ma hat mal gesagt, dass es wichtiger ist das an uns weiterzuentwickeln, was eine Maschine nicht kann (Tagesschau, 18.01.2018) also das Zwischenmenschliche, das Künstlerische usw. Ich bin da ganz ähnlicher Meinung. Qualität statt Quantität. Tiefe statt Breite. Nochmal mit der Filtereinstellung als Gesundheitsdienstleister gesprochen: Ich stelle mir vor, dass sich durch technischen Fortschritt gesundheitlich ungünstige Arbeitsbedingungen in der Zukunft besser gestalten lassen. Der Mensch wird dadurch in meinen Augen auf dem Arbeitsmarkt nicht überflüssig. Vielleicht ergibt sich dadurch aber die Chance, dass das Arbeiten gesünder wird. Die Zukunft wird dann zeigen in wie weit sich der Arbeitsmarkt den neuen Herausforderungen anpasst.
Quellen:
Tagesschau, Jack Ma Zitat (18.01.2018) https://m.facebook.com/tagesschau/videos/10156239703019407/
Karrierebibel.de (2019) Bedürfnispyramide von Maslow. https://karrierebibel.de/beduerfnispyramide-maslow/
Richard David Precht, Codonaut. (2019) Die Zukunft der Arbeit. https://m.youtube.com/watch?v=xnINBGuTWHw
Weiterführende Links: